Gelebter Traum: Ganzjähriges Skifahren in der Namib-Wüste
ALLGEMEINE ZEITUNG - Gelebter Traum: Ganzjähriges Skifahren in der Namib-Wüste
von Thorben Rath | 8. Januar 2014
Seit 1998 lebt der gebürtige Thüringer Henrik May in Namibia. Seine Erfahrungen im Skisport sammelte der 38-Jährige von Kindesbeinen an in der Sportschule Oberhof. Im Sommer kam diese Aktivität zu kurz, die in Namibia an 365 Tagen im Jahr garantiert ist. Hier erzielte er Guinnesbuch-Rekorde.
Die Skier geschultert, eine sanfte Brise um die Nase und den Spitze fest im Blick. Schritt für Schritt kämpft sich Henrik May seinem Ziel entgegen. Schon auf halber Strecke des schweren Aufstiegs erhält er einen Vorgeschmack auf den verdienten Lohn. Vor seinen Augen erstreckt sich eine endlose Bilderbuch-Landschaft: Im strahlenden Sonnenschein werfen die umliegenden Hügel leichte Schatten, keine Menschenseele ist zu sehen. Schwer atmend vom Aufstieg scheint Henrik diese einmalige Szenerie förmlich aufzusaugen. Doch die Atempause währt nur kurz, schon wirft er sich mit geübten Handgriffen seine Skier auf den Rücken – die Spitze ruft!
Der Aufstieg wird immer schwerer, jeder Schritt scheint wirkungslos im Sand zu versacken – im Sand. Denn Henrik blickt nicht über das verschneite Österreich oder die frostige Schweiz, vielmehr befindet er sich am anderen Ende der Welt in Swakopmund. Hier steht er mitten in der Namib-Wüste, hoch oben auf den Dünen und schnallt seine Skier an. Um es hierhin zu schaffen, bedurfte es weit mehr als nur einen Gipfelsturm.
Nie wirklich frei gefühlt
Um Henriks Geschichte zu verstehen, muss man in den Geschichtsbüchern dieser Welt weit zurückblättern. Nicht bis 60000 v.u.Z., als die ersten Auswanderer sich auf den Weg machten, ihre Heimat zu verlassen. Auch nicht bis ins Jahr 1870, als in der norwegischen Ortschaft Telemark der moderne Skisport seinen Anfang nahm. Man kommt dem Kern schon näher, wenn man auf das geteilte Deutschland der 1970er Jahre schaut. Ganz genau nach Zella-Mehlis, ins heutige Herz des vereinigten Landes, was damals im sozialistischen Teil lag. Hier wächst Henrik auf, inmitten eines totalitären Systems.
Dort lernt der erst Vierjährige auf selbstgebauten Skiern und mit Kochlöffeln als Stock-Ersatz, wie man heil einen Hang herunterfährt. Anfangs liebevoll von seinem Vater, später vom anspruchsvollen Schliff in der Kinder- und Jugendsportschule Karl Marx in Oberhof geprägt, entwickelt er sich zu einem Spitzensportler. Dabei merkt der noch junge Henrik auch, dass diese Art zu leben nicht die seine ist. Zu eng ist das Netz, das Schule, Training und vor allem die Staatsdoktrin um ihn spinnen. Und auch nach dem Mauerfall, von dem sich Henrik so viel erhofft hatte, und fünf Jahren Polizeidienst fühlt er sich nie wirklich frei. Einzig das Skifahren ist für ihn Freiheit und der Mittelpunkt seines Lebens. Doch alle sechs Monate bleibt im sommerlichen Deutschland nur das Träumen vom Skifahren und somit besseren Zeiten.
Zahlreiche Dünentestfahrten
So ist auch ein Stück Genugtuung dabei, als Henrik seine Skischuhe in den sandigen Dünenhang rammt – und das mitten im September. Hier in Namibia muss er sich nach niemandem richten, wenn er die Freiheit des Skifahrens erleben möchte: Jahres- und Tageszeiten haben ebenso wenig Einfluss auf sein Hobby wie die Regierung. Vor allem bei Nacht spürt Henrik die Freiheit, die ihm sein Leben in Namibia bringt. Mitten im Nirgendwo reflektieren die zahlreichen Dünen das helle Mondlicht und der 38-Jährige kann seine Kurven durch den „weißen“ Sand ziehen.
Rund 15 Autominuten entfernt von diesen Dünen wohnt und werkelt er, wenn er nicht auf Skiern steht. In seiner rund zwölf Quadratmeter großen Garage sieht es aus wie in einem alpinen Skiverleih: Unzählige Skischuhe reihen sich an auf hochglanzpolierte Skier in allen Größen. Auf der hölzernen Werkbank in der Ecke arbeitet der durchtrainierte Sportler an dem optimalen Dünen-Ski; feilt an Wachstemperaturen und -Mischungen. Heute unternimmt er aber keine seiner zahlreichen Testfahrten in den Dünen, heute sind seine altbewährten Telemark-Ski im Einsatz.
Auf ebensolchen Skiern unternahm Henrik auch seine ersten Skiversuche in Namibia. 1998 hatte er seinen Polizeidienst quittiert und war Familie May ausgewandert – eher zufällig nach Namibia. Euphorisiert durch die neuen Möglichkeiten errichteten die Auswanderer in zwei mühsamen Jahren eine eigene Gästefarm. Doch gerade als die May’schen Bemühungen erste Früchte tragen sollten, geschah das Unglück: Während Henrik in Deutschland arbeitete, starb sein Vater bei einem Unfall. Ein schwerer Schlag für die Familie, die nun noch enger zusammenrückte und beschloss in Namibia zu bleiben.
In Namibia angekommen
Und so traf Henrik auf der Gästefarm 14 Jahre nach der Auswanderung lang verloren geglaubte Freunde wieder: Besucher aus Deutschland hatten Skier mitgebracht und wollten die Dünen erobern. Doch nach mehreren gescheiterten Versuchen gab man auf. Nicht so Henrik. In Gedanken hatte er schon für immer mit dem Skisport abgeschlossen, doch nun wollte er sich diese einmalige Chance nicht entgehen lassen. So nahm er im Sommer 2002 die Skier mit auf eine der höchsten Dünen bei Sossusvlei. Und die Abfahrt überstieg Henriks kühnste Vorstellungen: Der Sand unter seinen Skiern fühlte sich an wie Pulverschnee, aufgewühlt von den berüchtigten namibischen Winden.
Als er nach rund 400 Metern zum Stehen kam, hatte Henrik nicht nur seine erste Abfahrt heil überstanden, sondern war auch endlich in Namibia angekommen. Die Skier konnten für ihn die Brücke schlagen vom deutschen Thüringen ins ferne Afrika. Und so sollte es von nun an steil bergauf gehen. Während die eigene Gästefarm immer erfolgreicher wurde, trieb Henrik auch das Skifahren auf ein neues Niveau. Er fuhr nicht nur regelmäßig die Dünen hinunter, sondern begann mit der Optimierung der Skier für den Sandsport. Und je besser das Equipment wurde, desto professioneller wurde auch dessen Nutzung: Auf neuen Skiern aus der alten Heimat konnte der frischgebackene Namibier nun auch Touren für Gleichgesinnte anbieten.
Waren es anfangs noch die Farmgäste, die sich nebenbei an diesem exotischen Sport versuchen wollten, kamen bald Gäste auf die Farm, nur um in Afrika Ski zu fahren. So konnte Henrik die kräftezehrende Arbeit im Gästehaus immer häufiger hinter sich lassen, um die Swakopmunder Dünen hinunter zu jagen. Langsam schienen sich seine Erwartungen an das ferne Namibia zu erfüllen: Er konnte das tun was er liebte und davon leben. Bald sollte der letzte Schritt gemacht werden, und Henrik wollte mit beiden Beinen auf Skiern stehen: Die Skitouren sollten seine einzige Tätigkeit werden. So wurde für die Gästefarm ein Käufer gesucht und gefunden. Nachdem im Mai 2009 die neuen Eigentümer den Vertrag unterschrieben hatten, stieg Henrik auf sein Motorrad und fuhr in die Stadt, seinem neuen Leben entgegen. Doch Henrik sollte nicht ankommen: Auf dem Weg dorthin stürzte er schwer. Nicht nur ein Lungenflügel, acht Rippen und sein Schulterblatt waren gebrochen, sondern wohl auch seine Träume.
Fahrt ins Guinnesbuch
Doch als Henrik heute den höchsten Punkt der Düne erreicht hat, sieht man ihm dies nicht mehr an. Mit einem stolzen Lächeln legt er die Skier vor sich in den Sand und genießt das atemberaubende 360-Grad-Panorama. Weit weg scheinen die Schicksalsschläge der Vergangenheit, als er den steilen Hang vor sich hinab blickt. Es ist eben jene Piste, auf der er 2010 in das Guinnessbuch der Weltrekorde gefahren ist. Routiniert fegt er nun den Sand von den Skiern und steigt in die erste Bindung. Vor drei Jahren war er weniger ruhig, als er hier oben stand. Es galt der Welt zu beweisen, dass er der schnellste Dünenskifahrer ist. Quasi im Alleingang hatte er den Rekord beantragt und alles für den großen Tag vorbereitet. Am 31. Mai 2010 erreichte er dann eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 92,2 km/h auf 105 Metern gemessen. Und so ist Henrik auch heute noch der schnellste Dünenskifahrer der Welt, als er seine Skier angeschnallt hat und voller Vorfreude lächelt.
Knochenbrüche halten nicht ab
Im Mai 2009 dauerte es lange, bis Henrik wieder lächeln konnte. Wochen verbrachte der Verletzte im Krankenhaus, nur um dann zu Hause monatelang an der Rehabilitation zu arbeiten. All das im Ungewissen: Die Gästefarm war verkauft und an Skifahren eigentlich nicht mehr zu denken. Eigentlich, denn in Henrik reifte ein Gedanke: Nichts würde ihm „seinen“ Sport wegnehmen. Schließlich war er weltweit der erste und einzige, der professionell Dünenski betrieb. Davon angetrieben schaffte er das schier Unglaubliche: Anstatt dem Skisport den Rücken zu kehren fuhr er genau 368 Tage nach seinem Unfall direkt ins Guinnessbuch der Weltrekorde. Doch wichtiger als der Bucheintrag war die Gewissheit, es wieder einmal geschafft zu haben: Gegen alle Hindernisse stand er nicht nur wieder auf Skiern in der Wüste, sondern kann bis heute von seinen Skitouren leben. Und der Zuspruch, den der Weltrekord dem Dünenski brachte, hat Henrik ein neues Ziel setzen lassen. Irgendwann möchte er in Namibias Dünenlandschaft ein internationales Skirennen austragen – bis dahin wird er weiterhin jeden Tag Skifahren.
So hat er auch an diesem Tag seine Skier gepackt, sie auf seinen Jeep verladen und ist in die Dünen aufgebrochen. Alles für diese eine Abfahrt, bei der er alle Schicksalsschläge und Widerstände hinter sich lassen kann. Hier gibt es nur ihn, seine Bretter und den Sand. Dann ist Skifahren weit mehr als seine Vergangenheit und Zukunft: Es ist das Jetzt, das er selten so intensiv spürt wie in den Sekunden der Abfahrt. Darum mag er auch keinen Augenblick mehr zögern und stürzt sich auf Skiern den sandigen Hang hinunter. In Namibia, hoch oben auf den Dünen der Namib-Wüste.
Henrik May
Phone: +264 (0) 81 4720343 henrik@ski-namibia.com
PO BOX 8140
Swakopmund / Namibia
Anne + Julius am 07.02.20 Dieses Jahr waren wir nicht wie gewohnt in Skandinavien zum Skifahren, sondern verbrachten einen tollen Urlaub in Namibia. Unvergesslich war dabei unser Sandski-Erlebnis mit Henrik, der eine tolle und durchaus anspruchsvolle Tour mit uns geplant hatte. ... ...Zum Kommentar
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Wüstenskifahrer Henrik May am 02.06.18 Auf der Suche nach dem perfekten Wüstenskischuh bin ich auf Orthopädie Schuhmachermeister Bernd Alf in Suhl gestoßen. Durch seine Professionelle und freundliche Beratung für richtige Schuhwahl und Anpassung spezieller Einlagen konnten meine Defizite ... ...Zum Kommentar
Manuela am 13.02.17 Hallo Hendrik, hab in einem Ritt Dein Buch gelesen und hoffe auf eine Fortsetzung. Bleib Dir treu und weiterhin viel Freude bei der Erfüllung Deiner Träume ...Zum Kommentar
Henrik May am 02.09.16 Im+Sand+ein+Pionier:https://t.co/bbQsilhj8m ...
Jens am 12.07.16 Das ist ja mal eine coole Idee - muss ich ausprobieren, wenn ich mal wieder in Namibia bin :-) ...Zum Kommentar
Sig am 11.07.16 Is it a Sand dune? 50 degrees are impossible, sand properties allow for approx. 34 degrees @ slip face .
Might look steeper but eyes/brain are cheating ...Zum Kommentar
Henrik May am 25.03.16 The Amazing Race in Namiba https://t.co/XwWCYdoi0M ...
Henrik May am 25.03.16 Skifahren geht auch in der Wüste! https://t.co/aIcsSZlsq7 ...
Henrik May am 25.03.16 Skifahren geht auch in der Wüste! https://t.co/ceturEtoty ...
Henrik May am 14.03.16 Ich habe ein @YouTube-Video positiv bewertet: https://t.co/EZLsyA3zLt 2016 US Telemark Nationals ...
Henrik May am 19.12.15 Ich habe ein @YouTube-Video positiv bewertet: https://t.co/YTi9K4vQ9c Der wirklich allerletzte Wüsten-Tannenbaum... ...
Henrik May am 17.12.15 Ich habe ein @YouTube-Video positiv bewertet: https://t.co/YTi9K4vQ9c Der wirklich allerletzte Wüsten-Tannenbaum... ...
Henrik May am 26.11.15 Gut.Morg. Erik sehr toll Du bist News Profi u. aus der legendären 8.März wünsche Dir hoffentlich (cont) https://t.co/GnSgdNsM2m ...
Henrik May am 26.11.15 Guten Morgen Erik sehr toll Du bist News profi und aus der legendären 8.März wünsche Dir (cont) https://t.co/wrgRBRod4Z ...